MTK & HCCH | Onlinepublikation 5300 Jahre Schrift |
Universität Heidelberg: Sonderforschungsbereich 933 der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Materiale Textkulturen. Materialität und Präsenz des Geschriebenen in non-typographischen Gesellschaften & Heidelberg Center for Cultural Heritage – HCCH |
Die ›Arecibo-Botschaft‹Versuch der schriftlichen Kontaktaufnahme mit intelligentem Leben im All (1974)von Wilfried Domainko (Astronomie) |
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Die ›Arecibo-Botschaft‹ mit farbigen HervorhebungenErster Abschnitt (weiß): die Zahlen von 1–10; zweiter Abschnitt (violett): die chemischen Elemente H, C, N, O, P; dritter Abschnitt (grün): Nukleotide; vierter Abschnitt (blau): Doppelhelix der DNA; fünfter Abschnitt (rot): grobe Skizze des menschlichen Körpers, sechster Abschnitt (gelb): unser Sonnensystem; siebter Abschnitt (violett): das Arecibo Teleskop. Gesendet vom Arecibo Radioteleskop auf Puerto Rico am 16. November 1974. |
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zum AutorWilfried Domainko war Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg im Projekt »H.E.S.S.: System abbildender Tscherenkow-Teleskope« und arbeitet am Deutschen Patent- und Markenamt in München. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Gamma-Strahlen-Astronomie und das Phänomen der Schnellen Radioblitze.
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Durch Schrift und einen Schriftträger können komplexe Informationen unabhängig von den zeitlichen und räumlichen Limitierungen einer Face-to-Face-Kommunikation übermittelt werden. Das vielleicht extremste Beispiel hierfür ist die ›schriftliche‹ Kommunikation über große Distanzen im Weltall. Anhand dieses Beispiels kann die Technik und die gesellschaftliche Bedeutung des Schreibens aus einem etwas anderen Blickwinkel betrachtet werden. Astrobiologen beschäftigen sich seit einigen Jahrzehnten mit der Frage, auf welche Art wir mit intelligentem extraterrestrischem Leben kommunizieren könnten. Auch wenn es bisher keine Hinweise auf die Existenz intelligenter Zivilisationen außerhalb der Erde gibt, ist das Forschungsinteresse ungebrochen — nicht zuletzt, weil das Auffinden und die Kommunikation unvorhersehbaren Einfluss auf nahezu alle wissenschaftlichen Disziplinen und die menschliche Gesellschaft als Ganzes hätten. Weltweit gibt es verschiedene Suchprogramme, die nach Signalen solcher Zivilisationen suchen. Diese Suchprogramme basieren üblicherweise auf der Annahme, dass intelligenten außerirdischen Lebensformen ähnliche Kommunikationssysteme zur Verfügung stehen wie der Menschheit. Ob diese Annahme allerdings tatsächlich Gültigkeit beanspruchen kann, ist natürlich nicht bekannt. Die medientechnisch vielversprechendste Möglichkeit der Kommunikation ist die Signalübertragung mittels elektromagnetischer Strahlung. Diese breitet sich mit der größten bekannten Geschwindigkeit, der Lichtgeschwindigkeit, aus und ist somit ein geeigneter ›Schriftträger‹ — wenn man so will — für die Überbrückung der gewaltigen Entfernungen zwischen den Sternen. Der vermutlich bisher beste Hinweis auf eine künstliche Strahlungsquelle extraterrestrischen Ursprungs ist das sogenannte ›Wow!-Signal‹. Dieses Signal wurde am 15. August 1977 mit dem ›Big-Ear-Radioteleskop‹ aufgezeichnet. Es handelt sich hierbei um ein schmalbandiges Radiosignal, das aus der Richtung des Sternbildes Schütze empfangen wurde. Der Entdecker des Signals war so überrascht, dass er das Wort »Wow!« neben den Daten auf dem Computerausdruck schrieb und damit dem Signal seinen Namen gab. Die Intensität des Signals folgt dem Verlauf einer Glockenkurve. Es konnte jedoch kein Nachrichteninhalt in dem Signal gefunden werden. Bisher wurde auch kein neuerliches Signal mit ähnlicher Charakteristik gefunden. Der genaue Ursprung des ›Wow!-Signals‹ ist bis heute ungeklärt. Zusätzlich zur Suche nach künstlichen extraterrestrischen Signalen stellt sich die Frage, ob die Menschheit nicht auch gezielt eigene Signale an potentiell bewohnbare Planeten senden sollte. Die grundlegende Überlegung dahinter ist, dass, wenn alle nur suchen, aber niemand sendet, man auch nichts empfangen wird. Beim Senden einer Nachricht muss natürlich geklärt werden, welche Sprache und welche Schrift man dazu verwendet. Generell gehen wir von der Universalität der Mathematik aus. Als besonders geeignet erscheint daher der Binärcode, mit dem eine beliebige Nachricht als Abfolge von 0 und 1 dargestellt wird. Darüber hinaus gelten Primzahlen als ausgezeichnete Punkte auf der Zahlengeraden, die als Kodierungs- und Dekodierungshilfe benutzt werden können. Mindestens genauso wichtig wie die Frage nach der Sprache und Schrift einer solchen Nachricht ist auch die Frage nach dem Inhalt der Botschaft. Im besten Fall sollte die Sendung universell nachvollziehbare Angaben machen, möglichst viele Informationen über das Leben auf der Erde und über unser Sonnensystem für die Empfänger beinhalten und für die Mehrheit der Menschheit allgemein akzeptabel sein. Der bekannteste Versuch einer interstellaren Kontaktaufnahme ist die ›Arecibo-Botschaft‹. Sie wurde am 16. November 1974 vom Arecibo Radioteleskop aus in Richtung eines Sternhaufens versendet. Das Arecibo-Observatorium betreibt das weltweit zweitgrößte Radioteleskop und befindet sich auf Puerto Rico. Ein Sternhaufen wurde als Ziel ausgewählt, um möglichst viele potentielle Planetensysteme auf einmal zu erreichen. Die Nachricht besteht aus 1679 Informationseinheiten, die entweder 0 oder 1 sein können. Durch Zerlegung in die Primzahlenfaktoren 23 und 73 lässt sich aus der Nachricht eine zweidimensionale Matrix erstellen (siehe Abbildung). Die Nachricht beginnt mit den Zahlen von 1 bis 10 im Binärcode. Dieser Abschnitt soll auch als Leseanleitung der Botschaft dienen. Der zweite Abschnitt der Nachricht beschreibt wichtige chemische Elemente der Erbsubstanz (DNA). Sie sind durch den Binärcode ihrer Ordnungszahlen dargestellt. Der dritte Abschnitt beschreibt die Nukleotide, die Bestandteile der DNA. Dabei wird die Anzahl der jeweiligen chemischen Elemente aus Abschnitt zwei für das entsprechende Nukleotid angegeben. Der vierte Abschnitt beschreibt die Struktur der DNA sowie die ungefähre Anzahl der Nukleotide im menschlichen Erbgut. Der fünfte Abschnitt gibt Informationen über die Menschheit, wie Aussehen, Größe und Anzahl der Menschen. Der sechste Abschnitt stellt das Sonnensystem dar, wobei die Position der Erde als Heimat der Menschheit hervorgehoben ist. Der siebte und letzte Abschnitt schließlich beschreibt die Senderapparatur, das Arecibo Radioteleskop. Abschließend kann gesagt werde, dass die ›Arecibo-Botschaft‹ eine bemerkenswerte Informationsmenge über die Menschheit transportiert. Allerdings ist ein tiefgreifendes Verständnis der Mathematik und der Naturwissenschaften notwendig, um sie zu entschlüsseln. Der Versuch der Kommunikation mit extraterrestrischen Zivilisationen wirft neben den technisch-naturwissenschaftlichen Aspekten auch viele rechtliche, ethische und politische Fragen auf. Die Frage »Wer darf welche Nachricht versenden?« ist beispielsweise völlig ungeklärt. Einige Wissenschaftler haben außerdem ganz grundlegende Bedenken gegenüber dem Senden von Nachrichten geäußert. Man könnte damit technisch überlegenen, aber kriegerischen Zivilisationen den Weg zur Erde weisen. Zum Abschluss sollte wohl auch erwähnt werden, dass derzeit eine neue Generation von Teleskopen entwickelt wird. Für die Suche nach extraterrestrischen Nachrichten dürfte vor allem das ›Square Kilometre Array‹ spannende Perspektiven eröffnen, da es bestehende Radioteleskope in Sensitivität um ein Vielfaches übertreffen wird. Damit könnte die Entdeckungswahrscheinlichkeit eines künstlichen, nicht-terrestrischen Signals deutlich steigen.
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Literatur |
Tarter, Jill (2001), »The Search for Extraterrestrial Intelligence (SETI)«, in: Annual Review of Astronomy and Astrophysics 39, 511–548. The Staff of the National Astronomy and Ionosphere Center (1975), »The Arecibo Message of November 1974«, in: Icarus: International Journal of Solar System Studies 26, 462–466. |
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Weitere Verweise |
Das Digitalisat des Papers zur "Arecibo-Botschaft" von 1974 (via Elsevier, sciencedirect.com) Ausführliche Webseite zur "Arecibo-Botschaft" und zum "Arecibo-Teleskop" (via signale.de). Bericht auf Spiegel Online und beim Deutschlandfunk. |
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Abbildungshinweis |
Titelbild: Arne Nordmann (norro) – Own drawing, 2005, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=365130. |
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Erster Abschnitt (weiß): die Zahlen von 1–10; zweiter Abschnitt (violett): die chemischen Elemente H, C, N, O, P; dritter Abschnitt (grün): Nukleotide; vierter Abschnitt (blau): Doppelhelix der DNA; fünfter Abschnitt (rot): grobe Skizze des menschlichen Körpers, sechster Abschnitt (gelb): unser Sonnensystem; siebter Abschnitt (violett): das Arecibo Teleskop. Gesendet vom Arecibo Radioteleskop auf Puerto Rico am 16. November 1974.
Titelbild: Arne Nordmann (norro) – Own drawing, 2005, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=365130.
Durch Schrift und einen Schriftträger können komplexe Informationen unabhängig von den zeitlichen und räumlichen Limitierungen einer Face-to-Face-Kommunikation übermittelt werden. Das vielleicht extremste Beispiel hierfür ist die ›schriftliche‹ Kommunikation über große Distanzen im Weltall. Anhand dieses Beispiels kann die Technik und die gesellschaftliche Bedeutung des Schreibens aus einem etwas anderen Blickwinkel betrachtet werden.
Astrobiologen beschäftigen sich seit einigen Jahrzehnten mit der Frage, auf welche Art wir mit intelligentem extraterrestrischem Leben kommunizieren könnten. Auch wenn es bisher keine Hinweise auf die Existenz intelligenter Zivilisationen außerhalb der Erde gibt, ist das Forschungsinteresse ungebrochen — nicht zuletzt, weil das Auffinden und die Kommunikation unvorhersehbaren Einfluss auf nahezu alle wissenschaftlichen Disziplinen und die menschliche Gesellschaft als Ganzes hätten.
Weltweit gibt es verschiedene Suchprogramme, die nach Signalen solcher Zivilisationen suchen. Diese Suchprogramme basieren üblicherweise auf der Annahme, dass intelligenten außerirdischen Lebensformen ähnliche Kommunikationssysteme zur Verfügung stehen wie der Menschheit. Ob diese Annahme allerdings tatsächlich Gültigkeit beanspruchen kann, ist natürlich nicht bekannt. Die medientechnisch vielversprechendste Möglichkeit der Kommunikation ist die Signalübertragung mittels elektromagnetischer Strahlung. Diese breitet sich mit der größten bekannten Geschwindigkeit, der Lichtgeschwindigkeit, aus und ist somit ein geeigneter ›Schriftträger‹ — wenn man so will — für die Überbrückung der gewaltigen Entfernungen zwischen den Sternen. Der vermutlich bisher beste Hinweis auf eine künstliche Strahlungsquelle extraterrestrischen Ursprungs ist das sogenannte ›Wow!-Signal‹. Dieses Signal wurde am 15. August 1977 mit dem ›Big-Ear-Radioteleskop‹ aufgezeichnet. Es handelt sich hierbei um ein schmalbandiges Radiosignal, das aus der Richtung des Sternbildes Schütze empfangen wurde. Der Entdecker des Signals war so überrascht, dass er das Wort »Wow!« neben den Daten auf dem Computerausdruck schrieb und damit dem Signal seinen Namen gab. Die Intensität des Signals folgt dem Verlauf einer Glockenkurve. Es konnte jedoch kein Nachrichteninhalt in dem Signal gefunden werden. Bisher wurde auch kein neuerliches Signal mit ähnlicher Charakteristik gefunden. Der genaue Ursprung des ›Wow!-Signals‹ ist bis heute ungeklärt.
Zusätzlich zur Suche nach künstlichen extraterrestrischen Signalen stellt sich die Frage, ob die Menschheit nicht auch gezielt eigene Signale an potentiell bewohnbare Planeten senden sollte. Die grundlegende Überlegung dahinter ist, dass, wenn alle nur suchen, aber niemand sendet, man auch nichts empfangen wird. Beim Senden einer Nachricht muss natürlich geklärt werden, welche Sprache und welche Schrift man dazu verwendet. Generell gehen wir von der Universalität der Mathematik aus. Als besonders geeignet erscheint daher der Binärcode, mit dem eine beliebige Nachricht als Abfolge von 0 und 1 dargestellt wird. Darüber hinaus gelten Primzahlen als ausgezeichnete Punkte auf der Zahlengeraden, die als Kodierungs- und Dekodierungshilfe benutzt werden können. Mindestens genauso wichtig wie die Frage nach der Sprache und Schrift einer solchen Nachricht ist auch die Frage nach dem Inhalt der Botschaft. Im besten Fall sollte die Sendung universell nachvollziehbare Angaben machen, möglichst viele Informationen über das Leben auf der Erde und über unser Sonnensystem für die Empfänger beinhalten und für die Mehrheit der Menschheit allgemein akzeptabel sein. Der bekannteste Versuch einer interstellaren Kontaktaufnahme ist die ›Arecibo-Botschaft‹. Sie wurde am 16. November 1974 vom Arecibo Radioteleskop aus in Richtung eines Sternhaufens versendet. Das Arecibo-Observatorium betreibt das weltweit zweitgrößte Radioteleskop und befindet sich auf Puerto Rico. Ein Sternhaufen wurde als Ziel ausgewählt, um möglichst viele potentielle Planetensysteme auf einmal zu erreichen. Die Nachricht besteht aus 1679 Informationseinheiten, die entweder 0 oder 1 sein können. Durch Zerlegung in die Primzahlenfaktoren 23 und 73 lässt sich aus der Nachricht eine zweidimensionale Matrix erstellen (siehe Abbildung). Die Nachricht beginnt mit den Zahlen von 1 bis 10 im Binärcode. Dieser Abschnitt soll auch als Leseanleitung der Botschaft dienen. Der zweite Abschnitt der Nachricht beschreibt wichtige chemische Elemente der Erbsubstanz (DNA). Sie sind durch den Binärcode ihrer Ordnungszahlen dargestellt. Der dritte Abschnitt beschreibt die Nukleotide, die Bestandteile der DNA. Dabei wird die Anzahl der jeweiligen chemischen Elemente aus Abschnitt zwei für das entsprechende Nukleotid angegeben. Der vierte Abschnitt beschreibt die Struktur der DNA sowie die ungefähre Anzahl der Nukleotide im menschlichen Erbgut. Der fünfte Abschnitt gibt Informationen über die Menschheit, wie Aussehen, Größe und Anzahl der Menschen. Der sechste Abschnitt stellt das Sonnensystem dar, wobei die Position der Erde als Heimat der Menschheit hervorgehoben ist. Der siebte und letzte Abschnitt schließlich beschreibt die Senderapparatur, das Arecibo Radioteleskop. Abschließend kann gesagt werde, dass die ›Arecibo-Botschaft‹ eine bemerkenswerte Informationsmenge über die Menschheit transportiert. Allerdings ist ein tiefgreifendes Verständnis der Mathematik und der Naturwissenschaften notwendig, um sie zu entschlüsseln.
Der Versuch der Kommunikation mit extraterrestrischen Zivilisationen wirft neben den technisch-naturwissenschaftlichen Aspekten auch viele rechtliche, ethische und politische Fragen auf. Die Frage »Wer darf welche Nachricht versenden?« ist beispielsweise völlig ungeklärt. Einige Wissenschaftler haben außerdem ganz grundlegende Bedenken gegenüber dem Senden von Nachrichten geäußert. Man könnte damit technisch überlegenen, aber kriegerischen Zivilisationen den Weg zur Erde weisen.
Zum Abschluss sollte wohl auch erwähnt werden, dass derzeit eine neue Generation von Teleskopen entwickelt wird. Für die Suche nach extraterrestrischen Nachrichten dürfte vor allem das ›Square Kilometre Array‹ spannende Perspektiven eröffnen, da es bestehende Radioteleskope in Sensitivität um ein Vielfaches übertreffen wird. Damit könnte die Entdeckungswahrscheinlichkeit eines künstlichen, nicht-terrestrischen Signals deutlich steigen.
Wilfried Domainko war Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg im Projekt »H.E.S.S.: System abbildender Tscherenkow-Teleskope« und arbeitet am Deutschen Patent- und Markenamt in München. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Gamma-Strahlen-Astronomie und das Phänomen der Schnellen Radioblitze.
Tarter, Jill (2001), »The Search for Extraterrestrial Intelligence (SETI)«, in: Annual Review of Astronomy and Astrophysics 39, 511–548.
The Staff of the National Astronomy and Ionosphere Center (1975), »The Arecibo Message of November 1974«, in: Icarus: International Journal of Solar System Studies 26, 462–466.
Das Digitalisat des Papers zur "Arecibo-Botschaft" von 1974 (via Elsevier, sciencedirect.com)
Ausführliche Webseite zur "Arecibo-Botschaft" und zum "Arecibo-Teleskop" (via signale.de).
Bericht auf Spiegel Online und beim Deutschlandfunk.