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5300 Jahre Schrift
Universität Heidelberg: Sonderforschungsbereich 933 der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Materiale Textkulturen. Materialität und Präsenz des Geschriebenen in non-typographischen Gesellschaften
& Heidelberg Center for Cultural Heritage – HCCH
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Sonderforschungsbereich 933 der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Materiale Textkulturen & Heidelberg Center for Cultural Heritage – HCCH
 

Prüfzeichen in karolingischen Handschriften

Korrekturlesen im frühen Mittelalter (Ende des 8. Jhs n. Chr.)

von Kirsten Wallenwein (Mittellateinische Philologie)

 
›Collectio Pauli Diaconi‹ mit dem Anfang des 35. Briefes aus der Briefsammlung des Papstes Gregors d. Gr. (590–604)

Aufgeschlagene Pergamentdoppelseite (fol. 25v und 26r; originale Höhe: ca. 31 cm, Breite: 39 cm) aus der ›Collectio Pauli Diaconi‹ mit dem Anfang des 35. Briefes aus der Briefsammlung des Papstes Gregors d. Gr. (590–604) sowie Spuren frühmittelalterlicher Korrekturen. Die Handschrift ist vermutlich in Norditalien entstanden und wurde später im Kloster Corbie (Frankreich) aufbewahrt. Heute in St. Petersburg, Rossijskaja Nacional'naja Biblioteka (F v I 7). Datierung: Ende des 8. Jahrhunderts n. Chr.

 
zur Autorin

Kirsten Wallenwein befasst sich in ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit schwerpunktmäßig mit lateinischen Handschriften aus dem Frühmittelalter. Derzeit forscht sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin des SFB 933 im Teilprojekt A08 »Reliquienauthentiken. Forschungen zur Materialität und Präsenz einer ausgesparten Sonderform frühmittelalterlicher Schriftlichkeit«.

 

Artikel als PDF

Wer schon einmal die Möglichkeit hatte, eine frühmittelalterliche Handschrift im Original anzusehen, oder sich mittels der digitalen Angebote durch einen Codex gescrollt hat, der dürfte die Erfahrung gemacht haben, dass die Ränder solcher Handschriften selten gänzlich unbeschrieben geblieben sind. Hier finden sich Glossierungen, Notazeichen und ›weisende Hände‹, die auf besondere Stellen aufmerksam machen sollten; ferner sogenannte ›Federproben‹ (probationes pennae), bei denen mit Schreibinstrumenten und Tinte geübt wurde, aber auch Vermerke von Schreibern und Korrektoren, oftmals in anonymer Form. Einen großen Teil der Marginalien, die sich in frühmittelalterlichen Handschriften finden lassen, machen Korrekturen aus. Zu prüfende Stellen wurden manchmal am Rand mit der Handlungsanweisung require (›überprüfe‹) versehen, überprüfte Stellen mit requisitum oder requisitum est (›es wurde überprüft‹) gekennzeichnet. Beides kann durch r oder rq gekürzt werden — was genau mit der markierten Stelle geschehen ist, unterscheidet sich von Fall zu Fall.

In diesem Zusammenhang muss man sich die Vervielfältigungsbedingungen in der Zeit vor dem Buchdruck vor Augen halten. Ein Text erfuhr Verbreitung, indem er von einer Vorlage abgeschrieben und im Idealfall nach der Abschrift mit jener verglichen wurde. Zu einem solchen Textvergleich, zum Korrekturlesen also, fordern sogenannte adiurationes auf. Sie finden sich meist am Ende eines Textes oder Textabschnittes, in einzelnen Fällen aber auch zu Beginn. Der Kirchenvater Hieronymus übersetzte beispielsweise im 4. Jahrhundert n. Chr. die Chronik des Eusebius ins Lateinische und stellte ihr eine solche adiuratio voran. Sie wird eingeleitet mit den Worten: Adiuro te, quicumque […] — »Ich beschwöre Dich, der Du dieses Buch abschreiben möchtest, bei unserem Herrn Jesus Christus und bei seiner ruhmvollen Wiederkehr, bei der er kommt, um die Lebenden und Toten zu richten, dass Du, was Du abgeschrieben hast, vergleichst und nach den Vorlagen korrigierst, von denen Du abgeschrieben hast, und all dies mit Sorgfalt tust. Auch diese Anordnung sollst Du auf gleiche Weise kopieren und sie so in den Codex, den Du abschreibst, übertragen«. Die Nähe solcher Formulierungen zur alttestamentlichen ›Kanonformel‹ und zu ihren Vorläufern, welche sich in altorientalischen Keilschrifttexten finden, ist oft betont worden. Auch die Warnung vor jeglichem Eingriff in den Bibeltext am Ende der Apokalypse des Johannes mögen spätantike und mittelalterliche Leser und Schreiber im Ohr gehabt haben, die sich einer solchen Schwurformel gegenüber sahen. Traditionsbildend aber wurde für die Handschriftenüberlieferung eine in ihrem Wortlaut auf Irenäus von Lyon (gest. 202 n. Chr.) zurückgehende adiuratio.

Wie ein zweiteiliger Korrekturprozess ablaufen konnte, illustrieren ein Brief und eine Briefsammlung, deren Manuskript heute in St. Petersburg liegt (CLA XI 1603). Man vermutet hinter dem Absender des Briefes, der sich Paulus nennt, den Autor der ›Langobardengeschichte‹, Paulus Diaconus, und hat daher die Briefsammlung nach ihm benannt: ›Collectio Pauli Diaconi‹. Wenn diese Vermutung stimmt, dann war es der gebürtige Langobarde und karolingische Gelehrte Paulus Diaconus (gest. um 797), der gemeinsam mit seinem Anschreiben eine Handschrift mit über 50 Briefen Gregors des Großen (Papst zwischen 590 und 604) an Adalhard von Corbie, den Abt des berühmten Königsklosters an der Somme, sandte. Paulus entschuldigt sich in dem Brief dafür, dass die Abschrift und die (noch dazu unvollständige) Korrektur so lange gedauert hätten. Als Gründe führt er Mittellosigkeit und Krankheit an. Erst jetzt sei es ihm gelungen, 34 der von Adalhard verlangten Briefe zu verbessern. Weiter weist er seinen Freund darauf hin, dass er es — um nicht die Worte des großen Kirchenlehrers zu verfälschen — nicht gewagt habe, lückenhafte Stellen dem Sinn nach zu ergänzen, und sie stattdessen mit einem Zeta markiert habe. Adalhard solle die entsprechenden Passagen nach einer fehlerfreieren Handschrift ergänzen und auch die Korrektur der übrigen Briefe nach dieser vornehmen. Das Fehlerzeichen Zeta sowie Korrekturen und Asteriske (Anmerkungszeichen) sind in der Handschrift tatsächlich mehrere Male vorhanden.

Die hier präsentierte Abbildung zeigt den 35. Brief der Sammlung, der intensiv korrigiert wurde, denn es ist an gleich mehreren Stellen ein Eingreifen in den Text zu beobachten: Paulus hat den Briefanfang mit dem Fehlerzeichen Zeta am Rand markiert. Die unverständlichen Stellen sind expungiert, d. h. die zu tilgende Passage ist mit einer Reihe von Punkten versehen und mittels zweier Verweiszeichen korrigiert worden: Das erste Verweiszeichen () hat seine Entsprechung am linken Seitenrand (), wo eine Abkürzung (), die sich im Text findet, als catholicis episcopis aufgelöst und so die Adresszeile Gregorius Quirico episcopo et ceteris in Hibernia catholicis episcopis vervollständigt wird (»Gregor an Bischof Quiricus und weitere katholische Bischöfe in der Hibernia«). Das zweite Verweiszeichen, ein Asterisk (), weist auf eine Ergänzung am unteren Seitenrand hin, die einen Teil des Briefanfangs in korrigierter Form wiederholt. Hinter einigen dieser Korrekturen vermutet man die Hand Adalhards von Corbie. Von dem Abt des Klosters an der Somme soll etwa das Kürzel rq stammen, das an dieser Stelle mit requisitum est (›es wurde überprüft‹) aufzulösen wäre.

Auf der gegenüberliegenden Seite taucht dieses Kürzel nochmals über zwei Wörtern des Haupttextes auf und korrespondiert dieses Mal mit einem Korrekturzeichen am Rand (). Dort findet sich auch die Ergänzung inmutando quod erat, sed suscipiendo quod non erat. Incar-. Das rq im Text war (vielleicht) zunächst vor das non platziert, dann aber dort entfernt und zwischen non und nationis gesetzt worden, um so den vollständigen Satz Verbum vero carnem dicimus factum non inmutando quod erat, sed suscipiendo quod non erat (»Wir sagen aber, dass das Wort Fleisch ward, nicht indem sich geändert hat, was es war, sondern durch Aufnahme von etwas, was es nicht war«) wiederherzustellen. Der darauffolgende Satz setzt nun richtig mit Incarnationis ein. Mithilfe solch kleiner Spuren, die Korrektoren in den von ihnen durchgesehenen Handschriften hinterlassen haben, lassen sich somit die Arbeitsprozesse in den frühmittelalterlichen Skriptorien rekonstruieren und die Sorge, mit der man sich um korrekte Texte bemühte, veranschaulichen.

 

 
Literatur

Dobiaš-Roždestvensky, Olga (1929), »La main de Paul Diacre sur un codex du VIIIe siècle envoyé à Adalhard«, in: Memorie Storiche Forogiuliesi 25, 129–143.

Lowe, Elias A.[/Bischoff, Bernhard] (Hg[g].) (1966), Codices Latini Antiquiores. A Palaeographical Guide to Latin Manuscripts Prior to the Ninth Century. Bd. 11: Hungary, Luxembourg, Poland, Russia, Spain, Sweden, The United States and Yugoslavia, Oxford, 6 u. 31 Nr. 1603.

Neff, Karl (1908), Die Gedichte des Paulus Diaconus. Kritische und erklärende Ausgabe (Quellen und Untersuchungen zur Lateinischen Philologie des Mittelalters 3.4), München, 126–130.

Weitere Verweise

Beispielhafte Illustration einiger Spuren, die Schreiber und Benutzer in Handschriften hinterlassen konnten:

Glossierungen im  «Victor-Codex», Notazeichen  und Weisende Hand als Eyecatcher, kleine Schreibübungen (Probationes pennae) sowie kopialüberlieferte adiuratio , mit der zum Vergleich und zur Korrektur nach der Vorlage aufgerufen wird.

Abbildungshinweis

Titelbild: The National Library of Russia.

 
  Wunderhorn Verlag Sonderforschungsbereich Materiale Textkulturen der Deutschen Forschungsgemeinschaft Universität Heidelberg  

Prüfzeichen in karolingischen Handschriften

Korrekturlesen im frühen Mittelalter (Ende des 8. Jhs n. Chr.)

von Kirsten Wallenwein (Mittellateinische Philologie)

›Collectio Pauli Diaconi‹ mit dem Anfang des 35. Briefes aus der Briefsammlung des Papstes Gregors d. Gr. (590–604)

Aufgeschlagene Pergamentdoppelseite (fol. 25v und 26r; originale Höhe: ca. 31 cm, Breite: 39 cm) aus der ›Collectio Pauli Diaconi‹ mit dem Anfang des 35. Briefes aus der Briefsammlung des Papstes Gregors d. Gr. (590–604) sowie Spuren frühmittelalterlicher Korrekturen. Die Handschrift ist vermutlich in Norditalien entstanden und wurde später im Kloster Corbie (Frankreich) aufbewahrt. Heute in St. Petersburg, Rossijskaja Nacional'naja Biblioteka (F v I 7). Datierung: Ende des 8. Jahrhunderts n. Chr.

Titelbild: The National Library of Russia.

Wer schon einmal die Möglichkeit hatte, eine frühmittelalterliche Handschrift im Original anzusehen, oder sich mittels der digitalen Angebote durch einen Codex gescrollt hat, der dürfte die Erfahrung gemacht haben, dass die Ränder solcher Handschriften selten gänzlich unbeschrieben geblieben sind. Hier finden sich Glossierungen, Notazeichen und ›weisende Hände‹, die auf besondere Stellen aufmerksam machen sollten; ferner sogenannte ›Federproben‹ (probationes pennae), bei denen mit Schreibinstrumenten und Tinte geübt wurde, aber auch Vermerke von Schreibern und Korrektoren, oftmals in anonymer Form. Einen großen Teil der Marginalien, die sich in frühmittelalterlichen Handschriften finden lassen, machen Korrekturen aus. Zu prüfende Stellen wurden manchmal am Rand mit der Handlungsanweisung require (›überprüfe‹) versehen, überprüfte Stellen mit requisitum oder requisitum est (›es wurde überprüft‹) gekennzeichnet. Beides kann durch r oder rq gekürzt werden — was genau mit der markierten Stelle geschehen ist, unterscheidet sich von Fall zu Fall.

In diesem Zusammenhang muss man sich die Vervielfältigungsbedingungen in der Zeit vor dem Buchdruck vor Augen halten. Ein Text erfuhr Verbreitung, indem er von einer Vorlage abgeschrieben und im Idealfall nach der Abschrift mit jener verglichen wurde. Zu einem solchen Textvergleich, zum Korrekturlesen also, fordern sogenannte adiurationes auf. Sie finden sich meist am Ende eines Textes oder Textabschnittes, in einzelnen Fällen aber auch zu Beginn. Der Kirchenvater Hieronymus übersetzte beispielsweise im 4. Jahrhundert n. Chr. die Chronik des Eusebius ins Lateinische und stellte ihr eine solche adiuratio voran. Sie wird eingeleitet mit den Worten: Adiuro te, quicumque […] — »Ich beschwöre Dich, der Du dieses Buch abschreiben möchtest, bei unserem Herrn Jesus Christus und bei seiner ruhmvollen Wiederkehr, bei der er kommt, um die Lebenden und Toten zu richten, dass Du, was Du abgeschrieben hast, vergleichst und nach den Vorlagen korrigierst, von denen Du abgeschrieben hast, und all dies mit Sorgfalt tust. Auch diese Anordnung sollst Du auf gleiche Weise kopieren und sie so in den Codex, den Du abschreibst, übertragen«. Die Nähe solcher Formulierungen zur alttestamentlichen ›Kanonformel‹ und zu ihren Vorläufern, welche sich in altorientalischen Keilschrifttexten finden, ist oft betont worden. Auch die Warnung vor jeglichem Eingriff in den Bibeltext am Ende der Apokalypse des Johannes mögen spätantike und mittelalterliche Leser und Schreiber im Ohr gehabt haben, die sich einer solchen Schwurformel gegenüber sahen. Traditionsbildend aber wurde für die Handschriftenüberlieferung eine in ihrem Wortlaut auf Irenäus von Lyon (gest. 202 n. Chr.) zurückgehende adiuratio.

Wie ein zweiteiliger Korrekturprozess ablaufen konnte, illustrieren ein Brief und eine Briefsammlung, deren Manuskript heute in St. Petersburg liegt (CLA XI 1603). Man vermutet hinter dem Absender des Briefes, der sich Paulus nennt, den Autor der ›Langobardengeschichte‹, Paulus Diaconus, und hat daher die Briefsammlung nach ihm benannt: ›Collectio Pauli Diaconi‹. Wenn diese Vermutung stimmt, dann war es der gebürtige Langobarde und karolingische Gelehrte Paulus Diaconus (gest. um 797), der gemeinsam mit seinem Anschreiben eine Handschrift mit über 50 Briefen Gregors des Großen (Papst zwischen 590 und 604) an Adalhard von Corbie, den Abt des berühmten Königsklosters an der Somme, sandte. Paulus entschuldigt sich in dem Brief dafür, dass die Abschrift und die (noch dazu unvollständige) Korrektur so lange gedauert hätten. Als Gründe führt er Mittellosigkeit und Krankheit an. Erst jetzt sei es ihm gelungen, 34 der von Adalhard verlangten Briefe zu verbessern. Weiter weist er seinen Freund darauf hin, dass er es — um nicht die Worte des großen Kirchenlehrers zu verfälschen — nicht gewagt habe, lückenhafte Stellen dem Sinn nach zu ergänzen, und sie stattdessen mit einem Zeta markiert habe. Adalhard solle die entsprechenden Passagen nach einer fehlerfreieren Handschrift ergänzen und auch die Korrektur der übrigen Briefe nach dieser vornehmen. Das Fehlerzeichen Zeta sowie Korrekturen und Asteriske (Anmerkungszeichen) sind in der Handschrift tatsächlich mehrere Male vorhanden.

Die hier präsentierte Abbildung zeigt den 35. Brief der Sammlung, der intensiv korrigiert wurde, denn es ist an gleich mehreren Stellen ein Eingreifen in den Text zu beobachten: Paulus hat den Briefanfang mit dem Fehlerzeichen Zeta am Rand markiert. Die unverständlichen Stellen sind expungiert, d. h. die zu tilgende Passage ist mit einer Reihe von Punkten versehen und mittels zweier Verweiszeichen korrigiert worden: Das erste Verweiszeichen () hat seine Entsprechung am linken Seitenrand (), wo eine Abkürzung (), die sich im Text findet, als catholicis episcopis aufgelöst und so die Adresszeile Gregorius Quirico episcopo et ceteris in Hibernia catholicis episcopis vervollständigt wird (»Gregor an Bischof Quiricus und weitere katholische Bischöfe in der Hibernia«). Das zweite Verweiszeichen, ein Asterisk (), weist auf eine Ergänzung am unteren Seitenrand hin, die einen Teil des Briefanfangs in korrigierter Form wiederholt. Hinter einigen dieser Korrekturen vermutet man die Hand Adalhards von Corbie. Von dem Abt des Klosters an der Somme soll etwa das Kürzel rq stammen, das an dieser Stelle mit requisitum est (›es wurde überprüft‹) aufzulösen wäre.

Auf der gegenüberliegenden Seite taucht dieses Kürzel nochmals über zwei Wörtern des Haupttextes auf und korrespondiert dieses Mal mit einem Korrekturzeichen am Rand (). Dort findet sich auch die Ergänzung inmutando quod erat, sed suscipiendo quod non erat. Incar-. Das rq im Text war (vielleicht) zunächst vor das non platziert, dann aber dort entfernt und zwischen non und nationis gesetzt worden, um so den vollständigen Satz Verbum vero carnem dicimus factum non inmutando quod erat, sed suscipiendo quod non erat (»Wir sagen aber, dass das Wort Fleisch ward, nicht indem sich geändert hat, was es war, sondern durch Aufnahme von etwas, was es nicht war«) wiederherzustellen. Der darauffolgende Satz setzt nun richtig mit Incarnationis ein. Mithilfe solch kleiner Spuren, die Korrektoren in den von ihnen durchgesehenen Handschriften hinterlassen haben, lassen sich somit die Arbeitsprozesse in den frühmittelalterlichen Skriptorien rekonstruieren und die Sorge, mit der man sich um korrekte Texte bemühte, veranschaulichen.

Artikel als PDF

zur Autorin

Kirsten Wallenwein befasst sich in ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit schwerpunktmäßig mit lateinischen Handschriften aus dem Frühmittelalter. Derzeit forscht sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin des SFB 933 im Teilprojekt A08 »Reliquienauthentiken. Forschungen zur Materialität und Präsenz einer ausgesparten Sonderform frühmittelalterlicher Schriftlichkeit«.

Literatur

Dobiaš-Roždestvensky, Olga (1929), »La main de Paul Diacre sur un codex du VIIIe siècle envoyé à Adalhard«, in: Memorie Storiche Forogiuliesi 25, 129–143.

Lowe, Elias A.[/Bischoff, Bernhard] (Hg[g].) (1966), Codices Latini Antiquiores. A Palaeographical Guide to Latin Manuscripts Prior to the Ninth Century. Bd. 11: Hungary, Luxembourg, Poland, Russia, Spain, Sweden, The United States and Yugoslavia, Oxford, 6 u. 31 Nr. 1603.

Neff, Karl (1908), Die Gedichte des Paulus Diaconus. Kritische und erklärende Ausgabe (Quellen und Untersuchungen zur Lateinischen Philologie des Mittelalters 3.4), München, 126–130.

Weitere Verweise

Beispielhafte Illustration einiger Spuren, die Schreiber und Benutzer in Handschriften hinterlassen konnten:

Glossierungen im  «Victor-Codex», Notazeichen  und Weisende Hand als Eyecatcher, kleine Schreibübungen (Probationes pennae) sowie kopialüberlieferte adiuratio , mit der zum Vergleich und zur Korrektur nach der Vorlage aufgerufen wird.